Autor Flaubert, Gustave rororo #58
  Frankreich
Titel Madame Bovary
  Madame Bovary
Übersetzung Reisiger, Hans
Umschlaggestaltung Gröning, Karl jr.
Pferdmenges, Gisela
rororo Taschenbuch Ausgabe 58
  Ab dem 101. Tsd. 08/1958 unter der Nummer 40
Auflage(n) 1.-50. Tsd. 07/1952
100. Tsd. 10/1956
 
232 Seiten
dt. Erstausgabe Berlin: Rütten&Loening, 1892
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Gustave Flaubert, der bewußteste und überlegenste Gestalter unter den französischen Romandichtern des 19. Jahrhunderts, wurde am 12. Dezember 1821 in Croisset bei Rouen als Sohn eines Arztes geboren. Auf Drängen seines Vaters nahm er in Paris das verhaßte Studium der Jurisprudenz auf, folgte aber gleichzeitig seinen literarischen Neigungen. Nach zwei jugendlich schwärmerischen Werken, von denen er den heute berühmten Roman "November" selbst verwarf und unveröffentlicht ließ, reifte Flaubert rasch in einem Akt bewundernswerter Selbsterziehung vom Romantiker zum künstlerisch streng formenden Realisten. Er stellte künftig an sein Werk die Forderung höchster Objektivierung, schärfster Beobachtung des Lebens und rücksichtsloser Genauigkeit bei sorgfältiger Feilung des Ausdrucks. In mönchhafter Entsagung widmete er sein Leben der Literatur und ließ sich von seinen Gestalten und Stoffen aufs intensivste ergreifen. In einem hierfür bezeichnenden Brief an Hippolyte Taine berichtete er über sein hier vorliegendes Meisterwerk - das 1857 im gleichen Jahr erschien wie die "Fleurs du Mal" Baudelaire's, dessen Ästhetizismus er nahesteht -, er habe, als er den Tod seiner Heldin Emma Bovary schilderte, einen so starken Arsenikgeschmack verspürt, daß er sich selbst vergiftet glaubte. Die unerhörte Neuheit seiner unsentimentalen Betrachtungsweise in dieser Charakterstudie einer in philisterhaftem Kleinstadtmilieu und romantisch irregeleiteter Liebessehnsucht sich selbst zerstörenden Frau mußte seine Zeitgenossen empören und trug dem Werk, das im Grunde eine bürgerliche Moral vertritt, gerichtliche Verfolgung wegen Unsittlichkeit ein.
   "Madame Bovary" löste in Frankreich und der Welt den sogenannten "Bovarysmus" aus und blieb für alle nachfolgenden psychologischen Eheromane das große Vorbild. Inzwischen ist das Werk kürzlich durch die Metro-Goldwyn-Meyer mit Jennifer Jones und James Mason erfolgreich verfilmt worden. In den Landschaftsschilderungen, die Flaubert hier von der Normandie gab, wurde er zum ersten großen Freilichtmaler der europäischen Literatur. Der unerbittliche Selbstkritiker blieb über ein Jahrzehnt um die Neuformung der Werkes bemüht und gab ihm erst 1873 die letzte Fassung.
   Von einer Reise nach Tunis brachte Flaubert die Anregung zu dem historisch-archäologischen Roman "Salammbo" mit, in dem er das Karthago des 3. Jahrhunderts v. Chr. und seinen Kampf gegen Rom in lebensvoller Echtheit erstehen ließ. Flaubert hatte zwölf Jahre lang Studien für dieses Werk betrieben und auch ihm erst ein Vierteljahrhundert nach seinem ersten Erscheinen endgültige Gestalt verliehen. Eine persönliche Befreiung von inneren Zweifeln suchte er dann in den verschiedenen Niederschriften seiner "Education Sentimentale", die auf dem Hintergründe des Pariser Lebens von 1840-1858 die Charakterentwicklung des modernen jungen Mannes darstellte. An der "Versuchung des Heiligen Antonius", einem philosophischen Dialog, in dem er die verschiedenen Religionen gegenseitig abwog und der in drei Fassungen konzipiert wurde, hatte er ebenfalls mehr als zwei Jahrzehnte gefeilt. Neben den drei Erzählungen "Ein einfaches Herz", "Herodias" und "Die Legende von Sankt Julian dem Gastfreien" sowie dem unvollendet nachgelassenen Roman "Bouvard und Pécuchet", den sein junger Freund und Schüler Guy de Maupassant ein Jahr nach dem Tode des Dichters herausgab, und in dem Flaubert im Lebensbild zweier Spießbürger rückständige Ideen, Unverstand und Vorurteil satirisch angriff, sind seine umfangreichen Tagebücher, vor allem aus dem Orient, und seine Briefe, darunter besonders die an George Sand, bedeutende literarische Dokumente. Als der eigentliche Schöpfer des modernen französischen Realismus und der Wegbereiter des ihm unter Zola nachfolgenden Naturalismus, am 7. Mai 1880 in Croisset starb, trauerten nur wenige um ihn, und die volle Bedeutung seines Werkes war noch nicht erkannt.