Autor Hauptmann, Gerhart rororo #57
  Deutschland | Nobelpreis 1912
Titel Wanda oder Der Dämon
   
   
Umschlaggestaltung Gröning, Karl jr.
Pferdmenges, Gisela
rororo Taschenbuch Ausgabe 57
   
Auflage(n) 1.-50. Tsd. 07/1952
87. Tsd. 05/1956
 
149 Seiten
dt. Erstausgabe Gütersloh: Bertelsmann, 1928
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Der 1862 in Obersalzbrunn als Sohn eines Gastwirtes aus schlesischer Weberfamilie geborene, mit dem Nobelpreis und zahlreichen anderen internationalen Ehrungen ausgezeichnete Gerhart Hauptmann ist der einzige in die Welt wirkende Dramatiker, den die deutsche Moderne hervorbrachte, und als Hauptvertreter des Naturalismus ein Erzähler von überragender Bedeutung. Einer frühen Neigung folgend, beschließt er zunächst, Bildhauer zu werden und studiert an der Breslauer Kunstschule. Nach einem schicksalhaften Arbeitsfehlschlag wendet er sich, im Anschluß an eine Studienreise nach Italien, der Literatur zu, für die ihn nach seiner Rückkehr die Begegnung mit den Naturalisten Arno Holz und Johannes Schlaf endgültig gewinnt.
   1885 veröffentlicht er sein erstes Werk, das Byron nachahmende Versepos "Promethidenlos", 1887 die bereits allgemeine Aufmerksamkeit erregende Erzählung "Bahnwärter Thiel". Sein 1889 an der Brahms'schen Freien Bühne in Berlin uraufgeführtes, revolutionär wirkendes Drama "Vor Sonnenauf gang", für das der alternde Fontane leidenschaftlich Partei ergreift, wird nach einem anfänglichen Theaterskandal ein großer Bühnenerfolg und macht den Dichter als Dramatiker sogleich weithin bekannt. In einer das Leben abhorchenden und getreulich vergegenwärtigenden Gestaltungsweise greift er nun dramatisch und erzählerisch die großen Themen der Zeit auf: die Frage der sozialen Massennot in den "Webern", die religiöse Frage in "Emanuel Quint", die wachsende Macht der Bürokratie im "Biberpelz", vor allem aber immer wieder das Problem des schwachen, an seiner Triebhaftigkeit und an der Halbheit und Ahnungslosigkeit der Mitwelt zerbrechenden Menschen.
   Diese Thematik liegt auch dem hier veröffentlichten Roman aus der Spätzeit seines Schaffens zugrunde, in dem Erlebnisse aus seiner Breslauer Zeit und der Stoff seiner Komödie "Kollege Crampton" ins Tragische abgewandelt neu aufklingen. Es ist die Geschichte des aus einfachen Verhältnissen hervorgegangenen genialen Kraftmenschen und Bildhauers Paul Haake, dessen Karriere und Leben durch die Hörigkeit zerstört wird, in die er zu einem 16jährigen, bildhübschen, kindhaften, aber völlig amoralischen Geschöpf, der späteren Zirkusartistin Wanda, gerät. Haake versucht immer wieder, sich in seiner Kunst und in bürgerlichen Liebesbindungen von seiner dämonischen Leidenschaft zu befreien, aber der ihn umgebenden menschlichen Niedertracht, seinem eigenen Temperament, rasender Eifersucht, Trunk und Haltlosigkeit fällt er schließlich doch zum Opfer. Die faszinierende Welt des fahrenden Volkes und des Zirkusmilieus, die mit unvergeßlichen Typen und Gestalten lebendig wird, ist ohne romantische Verklärung mit größter Wirklichkeitsnähe dramatisch gestaltet. Der Film hat sich jetzt des Werkes angenommen. Neben seinen sozialen Dramen wie "Rose Bernd", dem "Fuhrmann Henschel" und den "Ratten" haben Hauptmann vor allem seine neuromantischen Traumdichtungen "Hanneles Himmelfahrt" und "Und Pippa tanzt" höchste Gipfel der Dichtkunst erreichen lassen. Ein späterer Weg führt ihn dann zum metaphysischen Realismus, dessen Form und geistigen Gehalt er in einem der Antike zugewandten Sinne meistert, in seiner Atriden-Tetralogie. Von seinem erzählerischen Werk sind besonders bekannt geworden die Erzählung "Der Ketzer von Soana" und der Roman "Die Insel der großen Mutter". Über sein Leben berichten die autobiographischen Romane "Das Buch der Leidenschaft", "Im Wirbel der Berufung" sowie das selbstbildnerische "Abenteuer meiner Jugend". 1946 starb der 84jährige Dichter, als er seine schlesische Besitzung räumen mußte und nach Berlin übersiedeln sollte. Auf dem Inselfriedhof in Kloster auf Hiddensee liegt sein Grab.