Autor Minco, Marga | Presser, Jacob rororo #292
  Niederlande
Titel Das bittere Kraut | Die Nacht der Girondisten
  He bittere kruid | De Nacht der Girondijnen
Übersetzung Meier, Michael | Edith Rost-Blumberg
Umschlaggestaltung Gröning, Karl jr.
Pferdmenges, Gisela
rororo Taschenbuch Ausgabe 292
   
Auflage(n) 1.-40. Tsd. 01/1959
 
66 Seiten
dt. Erstausgabe Hamburg: Rowohlt, 1959 (dt. EA)
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Die beiden in diesem Band zusammengefaßten Berichte zweier Opfer der organisierten Unmenschlichkeit zwingen durch ihre schmerzhafte Wahrhaftigkeit, uns auf die Vergangenheit zu besinnen, um der Zukunft gewachsen zu sein. Gleich dem «Tagebuch der Anne Frank» kommen auch diese beiden Zeugnisse aus Holland, aus dem Holland jener Jahre, da unter der deutschen Besatzung Menschen Freiwild waren, weil sie einer verleumdeten Rasse angehörten oder auf einer eigenen Meinung bestanden.
Marga Minco ist eine junge Jüdin, die als einzige ihrer Familie der Deportation und der Vernichtung entging. In «Das bittere Kraut» hat sie aufgeschrieben, wie nach und nach ihre Eltern, ihre Verwandten, Bekannten und Freunde von den Schergen der fremden Macht abgeholt wurden. Schlicht und anspruchslos hat sie die düsteren Vorgänge notiert, zu jung noch, um sie durchschauen zu können. Aber gerade die Naivität, mit der sie das zunächst geringfügig, dann immer verheerender bedrängte Leben der jüdischen Menschen getreulich schildert, macht den Text um so gespenstischer und schrecklicher. Das kindliche Gefallen an dem makabren Versteckspiel, an den schauerlichen Maskeraden - die Mädchen bleichten sich mit Wasserstoffsuperoxyd die Haare - und am Umgang mit gefälschten Papieren, läßt eine Wirklichkeit sichtbar werden, die zu grauenvoll ist, um von einem so jungen Menschen ganz begriffen werden zu können. Hier wird ein verfluchtes System mit der arglosen Unschuld eines Kindes nachgezeichnet. Das macht «Das bittere Kraut» zu einem erschütternden Dokument.
Jacob Pressers «Die Nacht der Girondisten» bildet dazu gleichsam den Kontrapunkt. Was Marga Minco von außen sieht, hat Presser als reifer Mann von innen heraus erfahren, ein Teilnehmer der Hölle. Als Insasse des Lagers Westerbork, der letzten Sammelstelle der Juden vor ihrem Abtransport nach Auschwitz, hat er erleben müssen, wie das Terrorsystem seine Opfer sogar innerlich unter seine Gewalt zwingt, wie es sie nicht nur körperlich vergewaltigt, sondern wie es sie in ihrer Substanz vergiftet. Presser ist heute Professor für Geschichte an der Universität Amsterdam, und mit der fast brutalen Tatsachenliebe eines unvoreingenommenen Historikers hat er das Leben der Inhaftierten unter dem Regiment eines Obersturmbannführers ein für allemal festgehalten. Er hat hier Probleme behandelt, die jenseits politischer Tageserörterungen an die Wurzeln menschlichen Verhaltens rühren.