Autor Kiaulehn, Walther rororo #270
  Deutschland
Titel Lesebuch für Lächler
   
   
Umschlaggestaltung Gröning, Karl jr.
Pferdmenges, Gisela
rororo Taschenbuch Ausgabe 270
  Auswahl aus "Lehnaus Trostfibel und Gelächterbuch" und "Lesebuch für Lächler"
Auflage(n) 1.-50. Tsd. 07/1958
70. Tsd. 1962
 
147 Seiten
dt. Erstausgabe Berlin: Rowohlt, 1932, 1938
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Der Verfasser dieser Geschichten und Feuilletons ist einer der nun schon sagenhaft gewordenen «Zwanziger». So nennt man die Leute, die das Glück hatten, in den zwanziger Jahren in Berlin zu leben. Heute ist man ganz versessen auf diese Zeit, deren Spur und Aroma zwischen den Zeilen dieses Buches zu finden ist. Ist die Legende von Schönheit und Glanz der zwanziger Jahre nur ein Gespinst der Erinnerung? Die berühmte alte Frau, die jeder von uns kennt, sagte einmal: «In meiner Jugend brannten die Sterne heller!» Doch müssen die zwanziger Jahre Berlins in Wahrheit hell und strahlend gewesen sein. Schon die Namen der großen Zeit, von Eugen d'Albert über Einstein und Furtwängler, Jess-ner, Liebermann und Max Reinhardt bis zu Heinrich Zille, beweisen es. Zwischen 1923 und 1929 ging es den Berlinern gut, ihr Theater war das beste der Welt, und ihre Art, zu leben, zu bauen und das Wochenende zu verbringen, galt als so charakteristisch, daß sich dafür der internationale Begriff des «Style Berlin» bildete. Die beliebteste Zeitung Berlins war damals die «BZ am Mittag», von der eine reisende russische Schriftstellerin sagte, sie sei eine kleine Regenpfütze, in der sich die ganze Welt spiegele. Auf jeden Fall war die «BZ» eine Angewohnheit Berlins. Das Mittagessen schmeckte einem nicht recht, wenn man sie nicht gelesen hatte. Zur Würze des Blättchens gehörten damals die Feuilletons von «Lehnau». Es war ein Pseudonym des Journalisten Walther Kiaulehn. Er schrieb seine Feuilletons gewissermaßen nur nebenbei, denn im Hauptberuf war er einer der Starreporter der Ullsteins, immer an den großen Affären, Zelebritäten und Prozessen der Zeit als Augenzeuge beteiligt. Innerhalb der «kleinen Form», wie man die Miniaturliteratur der Boulevardiers und Feuilletonisten damals nannte, charakte-risierten sich die Schriften von Lehnau durch einige Nachteile, die in Wahrheit ihre Vorzüge waren. Ihr Witz zielte nicht auf die Pointe, was ihnen den lächelnden Abstand von ihrem aktuellen Anlaß gab. Nimmt man die französische Perfektion, die immer noch eine überraschende und starke Pointe verlangt, als Vorbild, so waren fast alle «Lehnaus» mißlungen. Doch war das Fragmentarische ihre Absicht. Nur das scheinbar Halbfertige verschafft dem Leser das Vergnügen, eine Fabel zu Ende zu dichten und das nur angedeutete Muster des Empfindens und Erwägens weiter zu weben. Ernst Rowohlt gab zwei Auswahlbände von Lehnau-Feuilletons heraus. Der erste, «Lehnaus Trostfibel» (1932), wurde 1933 verboten und beschlagnahmt. Doch das «Lesebuch für Lächler» (1938) erreichte unangefochten viele Ausgaben. Der hier vorliegende rororo-Band «Lesebuch für Lächler» ist aus den hauptsächlichen Stücken der beiden ersten Bände zusammengestellt.
     Walter Kiaulehn, geboren 1900, legte seine Redakteurstellung 1933 nieder und lebte bis 1939 als freier Schriftsteller. Er nahm an beiden Weltkriegen teil und war so acht Jahre lang Soldat. Sein Hauptwerk ist: «Die eisernen Engel». Diese Kulturgeschichte der Maschinenwelt erschien ursprünglich (1935) im Ullstein-Verlag und wurde von Ernst Rowohlt 1953 neu verlegt. Das in viele Sprachen übersetzte Buch gilt als eins der Standardwerke, die das Heraufkommen der neuen Tatsachenliteratur eingeleitet haben. In Berlin dreimal ausgebombt, konnte Kiaulehn aus der Kriegsgefangenschaft nicht mehr in seine Heimatstadt zurückkehren, lebt seit 1946 als Schriftsteller und Theaterkritiker in München, wo der Biederstein-Verlag gegenwärtig die Herausgabe seines neuen großen Buchs über die Schicksale Berlins vorbereitet.