Autor Sieburg, Friedrich rororo #201
  Deutschland
Titel Blick durchs Fenster
   
   
Umschlaggestaltung Gröning, Karl jr.
Pferdmenges, Gisela
rororo Taschenbuch Ausgabe 201
  neue durchgesehene und erweiterte Ausgabe
Auflage(n) 1.-50. Tsd. 11/1956
88. Tsd. 01/1960
 
204 Seiten
dt. Erstausgabe  
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Der Schriftsteller Friedrich Sieburg paßt in keine der literarischen Kategorien, die heute in Deutschland immer noch angewandt werden, wenn darauf ankommt, einer geistigen Erscheinung ihren Standort zuzuweisen. Man bezeichnet ihn daher gerne mit einem in Frankreich üblichen Ausdrucke als "homme des lettres", also als einen Mann, der weder Gedichte, noch Romane, noch Theaterstücke schreibt und doch vom literarischen Leben seiner Zeit und seines Landes nicht zu trennen ist. Bisher hat er über zwanzig Bücher veröffentlicht, von denen die meisten hohe Auflagen erreicht haben und in viele fremde Sprachen übersetzt sind. Diese Breitenwirkung ist erstaunlich bei einem Mann, der sich fast ausschließlich damit beschäftigt, Kulturkritik zu üben, nämlich die Rollen des Menschen in der Zeit oder in der Gesellschaft zu untersuchen. Er tut dies entweder dadurch, daß er die Nachbarvölker, an denen sich unser eigenes Wesen abgrenzt, beschreibt, wie in seinem berühmten "Gott in Frankreich", das vor Jahrzehnten erschienen ist und immer noch als die schlagendste Auseinandersetzung mit Frankreich und seiner bezaubernd eigensinnigen Zivilisation gilt. Oder er nimmt sich bestimmte historische Figuren vor, wie Robespierre oder Napoleon, und zeigt an ihnen, daß der alltägliche Lebenswille des Menschen immer wieder mit den großen Männern fertig wird. Auch die Situation der Deutschen hat er wiederholt zum Gegenstand seiner ironisch-besorgten Darstellung gemacht, wobei er die Kunst, sich Feinde zu machen, mit den "Selbstgesprächen auf Bundesebene", die 1954 unter dem Titel "Die Lust am Untergang" erschienen, auf die Spitze getrieben hat. Friedrich Sieburg streitet mit Entrüstung ab, ein Dichter zu sein, weil er das für unvereinbar mit seinem kritischen Temperament hält - er ist aber trotzdem einer, wie solche Erlebnisbücher wie "Unsere schönsten Jahre - Ein Leben mit Paris" beweisen. Er wurde am 18. Mai 1893 in dem westfälischen Städtchen Altena geboren, ging in Düsseldorf aufs Gymnasium und studierte in Heidelberg, Münster, Freiburg und München. Nach dem ersten Weltkrieg, den er ganz an der Front mitmachte, lebte er einige Jahre in dem Berlin der Inflation und ging Ende 1923 ins Ausland, aus dem er erst Anfang 1943 zurückkehrte. In Kopenhagen, Paris und London arbeitete er als Auslandskorrespondent der Frankfurter Zeitung, für die er auch Afrika, Ostasien, die Polarländer und die Sowjetunion bereiste. Von 1939 bis 1948 schrieb er nichts. Seit einigen Jahren lebt er in Stuttgart.
   Inhalt: Der Band "Blick durchs Fenster", der einige Monate vor dem letzten Krieg erschien, hat die beiden Weltstädte Paris und London zum Schauplatz und zeigt den Autor nicht nur auf den historischen Spuren einer verlorenen Zeit, sondern auch als Schilderer jenes melandiolischen Glücksgefühls, welches das anonyme Dahintreiben im Strom der großen Stadt gewährt. Friedrich Sieburg ist auch als Journalist stets der Schriftsteller geblieben und hat es verstanden, auch in seiner politischen Berichterstattung immer den farbigen, oft anekdotischen Hintergrund sichtbar zu machen. Diese Mischung aus Bericht und Atmosphäre ist gewissermaßen seine Erfindung und hat seine Berichterstattung aus den großen Zentren und über die Schauplätze vergangenen oder künftigen Geschehens berühmt gemacht. In "Blick durchs Fenster" erleben wir, wie die historischen Ereignisse, die sich einst in Paris abspielten, plötzlich in die Gegenwart eindringen und zu einem Teil des Alltags werden. London und England entfalten ihren seltsam kühlen Zauber: Die kauzigen Gewohnheiten der Menschen, aber auch ihre Einsamkeit nehmen in Sieburgs Beschreibung rührende Umrisse an.