Autor Brod, Max rororo #189
  Tschechoslowakei
Titel Annerl
   
   
Umschlaggestaltung Gröning, Karl jr.
Pferdmenges, Gisela
rororo Taschenbuch Ausgabe 189
   
Auflage(n) 1.-50. Tsd. 07/1956
 
198 Seiten
dt. Erstausgabe Rechte beim Autor, 1937
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Der Romancier und Kulturphilosoph Max Brod wurde am 27. 5. 1884 in Prag als Sohn eines Bankiers geboren. Er studierte zunächst Jura, schlug dann die Beamtenlaufbahn ein, war eine Zeitlang beim tschechoslowakischen Ministerratspräsidium tätig, um sich schließlich, der Literatur und dem Journalismus zuzuwenden. So arbeitete er viele Jahre lang als Theater- und Musikkritiker in der Redaktion des "Prager Tagblatts". Seit 1912 spielte der Freund, Nachlaßverwalter, Biograph und Deuter Franz Kafkas eine wesentliche Rolle im Zionismus. Seine Hauptwerke sind Dichtungen der religiösen Besinnung und Kontemplation, darunter vor allem die berühmten "Tycho Brahes Weg zu Gott" (1916), der Renaissanceroman "Reubeni, Fürst der Juden" (1925), "Galilei in der Gefangenschaft" (1948), der Jesusroman "Der Meister" (1952) und "Armer Cicero" (1955). Brod gehörte zuerst der sogenannten "Prager Schule" an (Rilke, Werfel, Kafka), gelangte zum Expressionismus und erreichte endlich im Zeichen Grillparzers und Stifters einen bewußt österreichischen Stil. Neben lyrischen Werken wie "Tagebuch in Versen" (1910) und "Das Buch der Liebe" (1921) erzielten auch seine Theaterstücke "Abschied von der Jugend" (1912), "Die Fälscher" (1920) und "Klarissas halbes Herz" (1922) sowie die Bühnenbearbeitungen von Haseks "Schwejk" und Kafkas "Schloß" beträchtliche Erfolge. Daneben gewann er sich einen breiten Leserkreis mit literarischen Unterhaltungsromanen, die durchgeistigt das Thema erotischer Verstrickung abhandeln: "Leben mit einer Göttin" (1923), "Die Frau, nach der man sich sehnt" (1927) und "Zauberreich der Liebe" (1928). Während ihn diese Bücher als einen von Plato beeinflußten Theoretiker der Liebe zeigen, erweisen ihn Werke wie "Ein tschechisches Dienstmädchen" (1909) und "Franzi oder eine Liebe zweiten Ranges" (1922) als sozialkritischen Geist.
   Inhalt: Zu dieser Art von Romanen rechnet auch der hier vorliegende Band "Annerl" (1936), in dem Brod die Geschichte eines schwer erziehbaren, hübschen Mädchens erzählt, das von zu Hause fortläuft, um blinden Auges der flüchtigen Liebe und dem Rausch in die Arme zu taumeln. Aber ihre Liebesfähigkeit mündet am Ende in die rechte Bahn: Annerl lebt nur noch für ihr Kind; denn, wie es der Dichter in einem frühen Roman, aber gültig für sein Gesamtwerk, formulierte: 'Ohne Liebe geht alles falsch'. Zwischen diesem Motto und dem Bekenntnis: 'Opfer dich hin, stirb, aber wisse, selbst am Kreuz wisse es: niemals ist es vollbracht', zwischen tätiger Liebe und Demut bewegt sich das reiche Schaften des großen Dichters und Wahrheitssuchers Max Brod. Bereits 1919 erhielt er in Prag den Staatspreis. Zwanzig Jahre später mußte er nach Palästina emigrieren, wo er heute als Dramaturg des berühmten Theaters "Habimah" lebt. Weitere zehn Jahre darauf wurde er als bewußter Repräsentant jüdischen Geistes, der sich jedoch durch 'Sprache, Erziehung, Lektüre, Kultur als dankbarer Freund des deutschen Volkes' empfindet, mit dem Literaturpreis der Stadt Tel Aviv geehrt.