Autor Borchert, Wolfgang rororo #170
  Deutschland
Titel Draußen vor der Tür
und ausgewählte Erzählungen
  mit einem Vorwort von Heinrich Böll
   
   
Umschlaggestaltung Gröning, Karl jr.
Pferdmenges, Gisela
rororo Taschenbuch Ausgabe 170
Auflage(n) 1.-75. Tsd. 01/1956
338. Tsd. 01/1961
 
137 Seiten
dt. Erstausgabe Rowohlt: Hamburg, 1947
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Wolfgang Borchert, Dichter einer verratenen Generation, ist nur 26 Jahre alt geworden. Er starb am 20. 11. 1947 in Basel; am Tag darauf wurde sein Drama "Draußen vor der Tür" in Hamburg uraufgeführt. Hier ist er auch geboren, am 20. 5.1921. Er wurde Buchhändler, dann Schauspieler in Lüneburg, und kam schließlich 1941 an die Ostfront, wo er schwer verwundet wurde. Briefliche Äußerungen, die angeblich den Staat der Willkür gefährdeten, brachten ihm, dem schwer an Gelbsucht und Diphtherie Erkrankten, acht Monate Haft in einem Nürnberger Militärgefängnis ein. Er wurde zum Tode verurteilt, dann aber "zwecks Bewährung" an die Ostfront verschickt. Infolge angegriffener Gesundheit schließlich als untauglich entlassen, trug Borchert in Hamburger Kabaretts eigene Gedichte vor, kam aber bald wieder in ein Gefängnis, diesmal nach Berlin-Moabit; er konnte nicht schweigen. 1945 kehrte er in die Trümmer Hamburgs zurück, chronisch fieberkrank, an Körper und Seele gebrochen, einer "aus der Reihe jener Männer, die nach Hause kommen und doch nicht nach Hause kommen, weil für sie kein Zuhause mehr da ist. Ihr Zuhause ist dann draußen, nachts im Regen, auf der Straße. Das ist ihr Deutschland". Zwar arbeitete er noch als Regieassistent und Kabarettist, schrieb Erzählungen, Manifeste und Gedichte, aber dann ging es nicht mehr: Freunde verschafften dem Todkranken einen Kuraufenthalt in der Schweiz, der jedoch zu spät kam.
   Zwei knappe Jahre blieben Wolfgang Borchert zum Schreiben, und tatsächlich dichtete er wie im Wettlauf mit dem Tode. Man hat ihn des Nihilismus bezichtigt; in Wahrheit war er ein Idealist, der alles Unmenschliche haßte und also den armen, geschlagenen Menschen aufs äußerste liebte. Jede seiner Geschichten (die in zwei Erzählbänden "Die Hundeblume" und "An diesem Dienstag" 1947 gesammelt erschienen), jede Szene seines Theaterstücks "Draußen vor der Tür" (zunächst als Hörspiel gesendet, später unter dem Titel "Liebe 47" von Wolfgang Liebeneiner verfilmt), alles, was er sonst schrieb, handelte vom Elend der Hungernden und Kriegskrüppel, von Heimkehrern und Heimatlosen, von denen insgesamt, die der Krieg, "das seuchige, kraftstrotzende Tier", verunstaltete und verdarb. Ein leidenschaftlidier, besessener junger Mensch war am Werk, der - und das festigt den Borchertschen Schrei zur Dichtung - seismographisch jede Erregung notierte, vom Kanonendonner bis zum Zittern einer Mädchenhand. Stephen Spender, der bedeutende englische Lyriker und Essayist, schrieb in seinem Vorwort zur englischen Ausgabe des "Gesamtwerks" (1949 deutsch im Rowohlt Verlag): "Borchert besitzt die wahrhaft dichterische Gabe, das Leblose zu Bedeutung und Personalität zu erheben."
   Dem "Gesamtwerk" (das auch in schwedischer und finnischer Sprache herauskam) ist diese Auswahl entnommen. Sie ist vor allem für die bestimmt, welche jetzt so alt sein mögen, wie Wolfgang Borchert war, als er zum erstenmal in den Kerker geworfen wurde.