Autor Seidel, Ina rororo #129-130
  Deutschland
Titel Das Wunschkind
   
   
Umschlaggestaltung Gröning, Karl jr.
Pferdmenges, Gisela
rororo Taschenbuch Ausgabe 129-130
   
Auflage(n) 1.-50. Tsd. 11/1954
125. Tsd. 09/1959
 
543 Seiten
dt. Erstausgabe Stuttgart: DVA, 1930
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Ina Seidel, neben Ricardo Huch, Gertrud von le Fort und Elisabeth Langgässer eine der wenigen großen Frauen der modernen deutschen Epik, wurde am 15. September 1885 als Enkelin des durch seine Ägyptenromane populären Georg Ebers und als Nichte des Leberecht-Hühnchen-Dichters Heinrich Seidel in Halle/Saale geboren. Über die frühen Jahre, die die Dichterin in Braunschweig, Marburg und München an der Seite ihres Bruders, des Dichters Willy Seidel, verbrachte, berichtet ihr autobiographisches Werk "Meine Kindheit und Jugend" (1935). 1907 heiratete die 22jährige ihren Vetter, den Pfarrer und Schriftsteller Heinrich Wolfgang Seidel. Mit ihm lebte sie in Berlin und Eberswalde bis 1923, später am Starnberger See. Ihre ersten Veröffentlichungen sind zwei 1914 und 1915 erschienene Gedichtbände, die später unter dem bezeichnenden Titel "Weltinnigkeit" (1918) zusammengefaßt wurden; die Kritik rückte sie in die Nähe der Verse der Droste-Hülshoff. Weitere Gedichtbände folgten 1926, 1934, 1937 und zuletzt 1950. Ihre im schönsten Sinne protestantisch-konservative Prosa fand ersten Ausdruck in den frühen Novellen- und Erzählungsbänden "Hochwasser" (1921), "Die Fürstin reitet" (1925), "Renee und Rainer" sowie "Der vergrabene Schatz" (1929). Die Dichterin wird jedoch erst mit ihren großen Romanen "Das Labyrinth" (1922), dem "Wunschkind" (1930) und dem folgenden "Lennacker" (1938) weithin bekannt.
    An dem hier wieder vorgelegten, wohl bedeutendsten und volkstümlichsten, menschlich reifsten und ergreifendsten ihrer Werke arbeitete die Dichterin 16 Jahre. Neben den "Buddenbrooks" liegt mit ihm einer der größten Familien- und Generationsromane der neueren deutschen Literatur vor. Es ist ein zeitloses Buch um ein Frauenleben aus den Freiheitskriegen, eine erschütternde Darstellung des Mutter-Sohn-Verhältnisses, ein Werk, das den Kreislauf des Lebens zwischen Geburt und Tod in gefühlstiefer und menschlich gültiger Form umschließt und das insbesondere heute wieder eindringlich zu uns spricht, da unzählige Mütter ihre Söhne verloren haben. Das Geschehen spannt sich über die Jahre 1792 bis 1813 und umfaßt die Welt des besetzten Rheinlandes, das Milieu märkischer Gutshöfe und die Atmosphäre Berlins zur Zeit Napoleons. Cornelie, die Mutter, und ihr Wunschkind Christoph stehen für unzählige Mütter und Söhne jüngstvergangener Kriegszeiten. In diesem Werk sind alle Kräfte deutschen Wesens, die Problematik seiner unglücklichen Gegensätze und seine harmonischen Zusammenklänge beschlossen. Für uns darf der Roman heute wieder ein Buch der tiefen Sehnsucht nach dem Frieden sein, die in den Worten der Dichterin ausklingt: "Aber der Tag kommen - und er muß kommen -, da die Tränen der Frauen stark genug sein werden, um gleich einer Flut das Feuer des Krieges für zu löschen."
   Ina Seidel ist auch als Essayistin mit Kurzbiographie hervorgetreten. Aus dem Nachlaß ihres Bruders Willy Seidel, dem sie ihrer an Novalis gemahnenden Erzählung "Unser Freund Peregrin" (1950) ein Requiem schrieb, veröffentlichte sie 1936 die Dichtung "Der Tod des Achilles". Die Dichterin des Mythisch-Mütterlichen übersetzte auch kongenial des großen amerikanischen Dichters Thomas Wolfe "Briefe an die Mutter". Der Jüngste aus der Poetenfamilie der Seidel, der die vielfältig die deutsche Literatur bereicherte, ist der Sohn der Dichterin, Georg Seidel, der mit seinen Werken "Das Netz" und "Die schwachen Punkte" unter dem Pseudonym Simon Glas zu den Erneuerern der deutschen Fabulierkunst zählt.