Autor Jens, Walter rororo #102
  Deutschland
Titel Nein. Die Welt der Angeklagten
   
   
Umschlaggestaltung Gröning, Karl jr.
Pferdmenges, Gisela
rororo Taschenbuch Ausgabe 102
   
Auflage(n) 1.-38. Tsd. 02/1954
 
216 Seiten
dt. Erstausgabe Hamburg: Rowohlt, 1950
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Der am 8. März 1923 in Hamburg geborene Walter Jens gehört zu den wenigen jungen Autoren, die die hochgespannten Erwartungen erfüllten, mit denen die Öffentlichkeit die Entwicklung der deutschen Nachkriegsliteratur verfolgte. Er zählt heute zu den wenigen Namen, die inzwischen auch über die Grenzen Deutschlands hinaus literarisches Ansehen genießen. Von 1933 an besuchte er das Hamburger Johanneum, um später bis 1945 an der Universität seiner Heimatstadt und dann in Freiburg/Breisgau klassische Philologie und Germanistik zu studieren. Seit 1949 ist er Dozent an der Universität Tübingen. - Walter Jens, der bereits 1948 seine erste Prosa-Arbeit, die pazifistische Novelle "Das weiße Taschentuch", unter dem Pseudonym Walter Freiburger veröffentlichte, gehört dem literarischen Kreis der "Gruppe 47" an. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er - abgesehen von seinen Hörspielen - durch den hier wieder vorliegenden, erstmals 1950 erschienenen visionären Roman "Nein - die Welt der Angeklagten" bekannt. Walter Jens schildert hier den Untergang des "letzten Individualisten" in einem totalitären Zukunftsstaat, in dem die Vermassung der Menschheit endgültig vollzogen ist. Dieser Zukunftsstaat ist - im Gegensatz zu Koestler - nicht politisch gemeint, sondern steht stellvertretend für eine in uns allen vorhandene bedrohliche Welt. Kälte und Klarheit des Gedanklichen vereinen sich mit einem Stil der Präzision, der alles Überflüssige unerbittlich ausmerzt, den Stoff aber mit schonungslosem Realismus anpackt. - Der Roman ist in vielen Sprachen erschienen und erlebte besonders in der französischen Ausgabe Aufsehen und hohe Auflagen. Die "Nouvelles Litteraires" Paris machten ihn zu ihrem "Livre de la Semaine", und eine von Emile Favre bearbeitete Bühnenfassung errang 1953 den Preis der "Amis de la Liberte". Sie wird zur Zeit an einem der angesehensten Pariser Theater, dem "Vieux Colombier", aufgeführt. Inzwischen erschienen von Walter Jens 1951 die Erzählung "Der Blinde", in der ein durch Krankheit blind gewordener Lehrer symbolhaft für das Individuum in einer von den Schrecken der Finsternis bedrohten Welt steht, sowie 1952 der umfangreichere Roman "Vergessene Gesichter", in dem der Dichter neben der abstrakten Bildstärke seiner vorangegangenen Bücher sich durch eine neue Anschaulichkeit und Fülle sowie einen untergründigen Humor auszeichnet, dessen Lichter jenes Schauspielerheim umspielen, von dessen skurrilen Bewohnern und ihrer Scheinwelt der Erinnerung erzählt wird. In diesem Werk entdeckte Walter Jens die geheimnisvollen Bezirke des Alters, in die wir alle einmal eintreten müssen. Der neue Roman, an dem Walter Jens seit 2 Jahren arbeitet, "Der Mann, der nicht alt werden wollte", steht dieser Gedankenwelt nahe und wird in seinen tragenden Gestalten, einem Dichter und seinem philosophisch-kritischen Gegenspieler, eine eigenartige Analyse des schöpferischen Menschen geben. Alle Bücher von Walter Jens (der zur Zeit auch eine Deutsche Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts schreibt) haben den Raum der neuen deutschen Dichtung wesentlich erweitert und führen aus der geblendeten Welt, in der wir heute zu leben gezwungen sind, zu neuen Wirklichkeiten.