Autor Raabe, Wilhelm rororo #100
  Deutschland
Titel Stopfkuchen
   
   
Umschlaggestaltung Gröning, Karl jr.
Pferdmenges, Gisela
rororo Taschenbuch Ausgabe 100
   
Auflage(n) 1.-50. Tsd. 01/1954
100. Tsd. 07/1960
 
190 Seiten
dt. Erstausgabe Freiburg/Breisgau: Klemm, 1891
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Wilhelm Raabe, der letzte literarische Erbe Jean Pauls und mit ihm einer der wenigen großen deutschen Humoristen und träumerischen Fabulisten, wurde am 8. September 1831 als Sohn eines Justizbeamten in Eschershausen bei Braunschweig geboren. Vielseitige Lektüre während einer kurzen buchhändlerischen Lehrzeit in Magdeburg vermittelte ihm umfassende geschichtliche und literarische Kenntnisse. Er entschied sich zum Philosophiestudium und promovierte - nebenher schon mit literarischen Arbeiten befaßt - 1855 in Berlin. Seinen berühmten Erstlingsroman "Die Chronik der Sperlingsgasse", in dem noch das Biedermeier nachklingt, begann er bereits 1854. Der überraschende Erfolg dieses drei Jahre später unter dem Pseudonym Jacob Corvinus erscheinenden Werkes bestimmte Raabe dazu, freier Schriftsteller zu werden. Zunächst in Wolfenbüttel, dann in Stuttgart schrieb er seine wichtigsten frühen Romane, darunter "Die Leute im Walde" (1863), deren Devise "Sieh nach den Sternen! Gib acht auf die Straße!" schon den ihm eigentümlichen idealistischen Realismus deutlich ankündigt, und "Der Hungerpastor" (1864). Nach der Veröffentlichung von "Abu Telfan" (1867) und dem "Schüdderump" (1870), die wie das vorangegangene Werk Kraft der Persönlichkeit und Größe des Gefühls über die Mächte der Auflösung triumphieren lassen, kehrte der Dichter in seine Braunschweiger Heimat zurück. Raabes Werk wurde pessimistischer, zugleich aber auch immer reifer und großartiger, immer schwieriger und eigenwilliger. So ging diesem Verklärer eines stolzen Bürgertums, das seit Jean Paul niemand mehr mit so viel innerer Freiheit, so viel Gelassenheit gegenüber dem Weltleid und so tiefem Humor geschildert hatte, sein mit den ersten Bucherfolgen gewonnenes Publikum allmählich wieder verloren. Eine späte Begegnung (1909) mit dem vereinsamten Weisen dieser Jahre schildert Hermann Hesse menschlich ergreifend in seinen "Gedenkblättern". In dieser Spätzeit entstanden Werke von unerschöpflichem Erfindungsreichtum und barocker Wärme, wie "Die Akten des Vogelsangs", "Altershausen" und der hier wieder vorgelegte, erstmalig 1891 erschienene Roman, den Raabe selbst "sein bestes, sein subjektivstes Buch" nannte.
   Der Held dieser "See- und Mordgeschichte" ist der in seiner Jugend verkannte, unter dem Spitznamen "Stopfkuchen" gehänselte Heinrich Schaumann, ein tief veranlagter, abseits stehender Mensch. Ihm gelingt es schließlich, das Vertrauen des verschlossenen Bauern Quakatz und seiner verwilderten Tochter Valentine zu gewinnen, die ein einsames verfemtes Dasein führen, da der Bauer im Verdacht steht, Kienbaum, einen reichen Viehhändler, erschlagen zu haben. Schaumann befreit den Bauern von diesem Makel und wendet, die Tochter heiratend, alles zum Guten. - Ein so bedeutender Geist wie Romano Guardini hat gerade den "Stopfkuchen", in dem über allem Weltleid der Sternenhimmel deutscher Innerlichkeit leuchtet, in einer eingehenden Schrift gewürdigt. Mit diesem Werk, das bezeichnenderweise im gleichen Jahr erschien wie Hauptmanns "Einsame Menschen" und Wedekinds "Frühlingserwachen", fand die Dichtung des bürgerlichen deutschen Idealismus ihren Höhepunkt und ihr Ende. Der Pflege seines 1914 in 18 Bänden abgeschlossenen großen Lebenswerkes, das Raabe bei seinem Tode am 15.11.1910 hinterließ, hat sich die Gesellschaft der Freunde Wilhelm Raabes fördernd angenommen.