Autor Thoma, Ludwig rororo #63
  Deutschland
Titel Die Lausbubengeschichten
Tante Frieda
   
   
Umschlaggestaltung Gröning, Karl jr.
Pferdmenges, Gisela
rororo Taschenbuch Ausgabe 63
  mit 73 Zeichnungen von Olaf Gulbransson
Auflage(n) 1.-50. Tsd. 10/1952
213. Tsd. 11/1957
 
152 Seiten
dt. Erstausgabe München: Piper, 1905/07
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Der am 21. Januar 1867 im Passionsdorf Oberammergau geborene Dichter Ludwig Thoma folgte zunächst dem Beruf seiner Vorfahren und studierte in Aschaffenburg Forstwissenschaft, ehe er sich dem Studium der Rechte zuwandte und sich als Anwalt niederließ. Aus dem Advokaten des Landkreises Dachau wurde jedoch bald ein Advokat der Menschlichkeit und Freiheit. Schon 1897 wurde Thoma Redakteur und vornehmster Mitstreiter des berühmten "Simplizissimus", dem er bis zu seinem Tode am 26. August 1921 die Prägung gab. Hier und in einem Lokalblättchen, dem "Miesbacher Anzeiger", der durch seine Beiträge fast die Bedeutung eines Weltblattes erreichte, erschienen unter dem Decknamen Peter Schlemihl seine berühmten nationalliberalen Artikel, derben Gedichte, saftigen Humoresken und politischen Satiren über den Staat, das "verpreußte" Beamtentum, den Klerus, die Juristerei und das Spießertum aller Arten; Thoma mußte wegen Majestätsbeleidigung ins Gefängnis. Der "Rabelais in der Lederhose" - wie man ihn gelegentlich genannt hat - blieb lebenslänglich ein "Lausbub, eine städtisch unverzehrbare Försternatur", vor allem aber ein Kämpfer gegen die Dummheit. In den Bauernromanen "Andreas Vöst", "Der Wittiber", "Der Ruepp", "Altaich", in den Humoresken von "Assessor Karlchen", in Moritaten und Gedichten und in seinen auch heute noch viel aufgeführten Komödien "Die Lokalbahn", "Erster Klasse" und "Moral" ist er der nichts beschönigende Schilderer der bayrischen Bauern jenseits von "Blut und Boden", der streitbare Fechter gegen alle Mißstände, auch gegen den Menschen, aber: aus Liebe zu ihm.
   Auch die hier zusammen mit ihrer Fortsetzung "Tante Frieda" vorliegenden "Lausbubengeschichten" sind von urwüchsigstem bajuwarischen Humor, dabei aber von einem Geist erfüllt, der durchaus nicht landschaftlich gebunden ist, sondern auf das Fortschrittlich-Liberale, Aufgeschlossene abzielt. Ebenso wie in dem berühmten, schlechthin genialen "Briefwechsel eines bayrischen Landtagsabgeordneten"', den sogenannten "Filserbriefen", zeigt sich Thoma hier als ein Erzähler von überwältigender Heiterkeit, hinreißender Drastik, bewundernswerter Sprachvirtuosität und boshafter, fast ins Dämonische reichender Gesellschaftskritik. Die erheiternden, mit kunstvoller, naiver Komik berichteten Streiche des kleinen Ludwig Thoma sind zugleich Schwertstreiche des großen Ludwig Thoma gegen die Borniertheit, die Muffigkeit, die Scheinheiligkeit, gegen die ganze bürgerliche Gipswürde einer verflossenen Zeit, und die Zeichnungen Olaf Gulbranssons könnten nicht besser dazu passen, wenn er an den Jugendstreichen seines Freundes selbst teilgenommen hätte. Dichtung und Zeichnung schließen sich zu einer völligen Einheit zusammen, zu einem köstlichen Werk treffender Satire und, heiterer Lebensweisheit und zu einem der ganz seltenen Bücher deutschen Humors.
   Thomas journalistische und schriftstellerische Erfolge führten ihn schließlich in die Zurückgezogenheit der Tegernseer Landschaft und in den Freundeskreis der Ganghofer und Slezak. Dieser Dichter wird mehr und mehr als einer der souveränsten Erzähler und Satiriker von weit über die Heimat reichender Wirkung erkannt, nachdem ihn die Literaturgeschichte unverdientermaßen lange als einen deftigen, von Sinnlichkeit prallenden Heimat- und Dialektdichter begönnert hatte. Über sein Leben berichtet Thoma selbst in den Bänden "Erinnerungen", "Leute, die ich kannte" und im "Stadelheimer Tagebuch" sowie in den von Josef Hofmiller herausgegebenen "Ausgewählten Briefen".