Autor Dreiser, Theodore rororo #37-38
  USA
Titel Eine amerikanische Tragödie
  An american tragedy
Übersetzung Schön, Marianne
Umschlaggestaltung Gröning, Karl jr.
Pferdmenges, Gisela
rororo Taschenbuch Ausgabe 37-38
   
Auflage(n) 1.-50. Tsd. 10/1951
88. Tsd. 06/1954
 
506 Seiten
dt. Erstausgabe Wien: Zsolnay, 1927
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Das 20. Jahrhundert der amerikanischen Literatur leitete der 1871 als Sohn eines rheinischen Hüttenverwalters in Terre Haute, Indiana, geborene Theodore Dreiser mit seinem 1900 erschienenen Roman "Schwester Carrie ein. Die naturalistische Wahrhaftigkeit des Werkes, das die Grundbegriffe einer puritanischen Moral erschütterte, empörte die Öffentlichkeit so sehr, daß der Verleger sich gezwungen sah, es zurückzuziehen. Auch sein elf Jahre später erscheinender Roman "Jenny Gerhardt schildert ein Frauenschicksal im Kampf mit einer brutalen, eigennützigen, auf äußeren Schein und Dünkel gegründeten Gesellschaftsordnung, und die nun folgenden Werke "Der Finanzier" (1912) und "Der Titan" (1914) üben ebenfalls schärfste Sozialkritik. Sie bleibt Dreisers Anliegen bis zu seinem 1946 posthum erschienenen bedeutenden Roman "Das Bollwerk". Was der akademische Realismus vor ihm sich zu entblößen scheute, nämlich das nackte Bild der Gesellschaft, die im blinden Willen nach Macht, Reichtum und Liebe keine Menschlichkeit kennt, prangerte dieser große Epiker unermüdlich an. Man rächte sich damit, daß man seine Bücher vulgär, ihn selbst arrogant, seine trauen fragwürdig, seine Ideen schwerfällig und seinen Stil abscheulich nannte. Den 1915 erscheinenden Maler-Roman "Das Genie" ließ die "Gesellschaft zur Unterdrückung des Lasters" verbieten, und jahrzehntelang hatte dieser große Erzähler die Kritik, mit H. L. Mencken an der Spitze, gegen sich.
   Erst die 1925 erscheinende, nach einem wirklichen Mordfall gestaltete "Amerikanische Tragödie", die H. G. Wells als "einen der größten Romane unseres Jahrhunderts" bezeichnete, gewann ihm Weltruhm. Der Film bemächtigte sich sofort dieses gewaltigen Stoffes, der jetzt unter dem Titel "Ein Platz an der Sonne" mit Montgomery Clift und Elizabeth Taylor in den Hauptrollen erneut auf der Leinwand erscheint. Wie in den großen Meisterwerken Dostojewskis wirft Dreiser hier die Frage nach Schuld und Sühne, Verbrechen und Reue auf. Aber nicht der tragische Einzelfall des jungen, aus ärmlichen Verhältnissen kommenden Clyde Griffiths, der von den Irrlichtern des Glücks und des Besitzes verlockt, vom Ehrgeiz getrieben, zwischen zwei Frauen und zwei Gesellschaftsklassen den Ausweg nur im Mord findet, ist Dreisers eigentliches Thema, sondern die kompromißlose Abrechnung mit der Justiz einer Gesellschaftsklasse, die sich bloßgestellt und beleidigt fühlt. Dreisers herbe Darstellungsweise und die mystischen Motive, die seinen Naturalismus vertiefen, verleihen all seinen großen Romanen einen wuchtigen und imponierenden Charakter. Seine kompromißlose Lebenstreue macht seine Werke, wie Sherwood Anderson es formulierte, nicht zu "Romanen, sondern zu ungeheuren Erlebnissen". Als Dreiser, der in der "Geschichte Meiner Selbst" eine auf mehrere Bände angelegte fragmentarische Autobiographie schrieb, 1945 starb, ist er gegen alle Anfeindungen der bedeutendste Vertreter des dokumentarischen Realismus und einer der größten Romanciers seiner Zeit.