Autor Hamsun, Knut (Knud Pedersen) rororo #7
  Norwegen | Nobelpreis 1920
Titel Mysterien
  Mysterier
Übersetzung Sandmeier, Julius
Umschlaggestaltung Gröning, Karl jr.
Pferdmenges, Gisela
rororo Taschenbuch Ausgabe 7
  Kleines Format 11.5 x 17.5 cm
Spätere Auflagen im größeren Format mit 292 Seiten.
Auflage(n) 1.-50. Tsd. 08/1950
113. Tsd. 05/1954
 
214 Seiten
dt. Erstausgabe München/Leipzig: List, 1894
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Der jetzt 91jährige norwegische Dichter und Nobelpreisträger, der in seinem Buch „Auf überwachsenen Pfaden" kürzlich ein erschütternd-eindrucksvolles, tief-menschliches und über das Persönliche hinaus gültiges Bild tragischen Alterns gab, wurde am 4. August 1859 im Dorf Lom im Gudbrandsdal in bäuerlich armseligen Verhältnissen geboren. Er führt die ersten 30 Jahre seines Lebens ein abenteuerliches Landstreicherdasein als Handlungsgehilfe, Hausierer, Schuhmacher, Strassenarbeiter, Volksschullehrer und Fischer. Zweimal zieht es den Unruhevollen nach dem lockenden Amerika, wo er sich als Holzfäller, Strassenbahnschaffner und Erntearbeiter durchschlägt, um schliesslich enttäuscht in seine norwegische Heimat zurückzukehren. Nach frühen erfolglosen literarischen Versuchen erringt sein 1890 erscheinender erster Roman "Hunger" Berühmtheit. Zwei Jahre später folgt der hier vorliegende „in einer ruhelosen Zeit der Wanderschaft. der Verliebtheiten und der Armut geschriebene" Ecce Homo-Roman „Mysterien", der jede literarische Konvention durchbrechend mit einer bis dahin unbekannten, unheimlich suggestiven Sprachgewalt in die Dumpfheit des überlebten Naturalismus wie ein reinigendes Gewitter fährt. Die ganze Weltfülle, Naturromantik und Daseinslust Hamsuns, seine beseeligenden und seine bedrängenden Traumstimmungen, seine ganze Verhaltenheit in Liebesglück und Liebesleid ist in diesem Buch eingefangen, aber diese tonreich kraftvolle Lebensmusik Hamsuns ist durchsetzt mit den erregenden Dissonanzen seiner Zivilisationsfeindlichkeit und seines zweifelnden Intellekts.
   Ein weitgereister, exzentrischer Fremder, der Naturschwärmer und Weltverächter Johan Nilsen Nagel, eine kraftvolle, aber dostojewskihaft disharmonische Gestalt, in der sich zweifellos die eigene Zerrissenheit des 30jährigen Dichters spiegelt, bricht in die Stille einer kleinen norwegischen Küstenstadt ein. Wer ist dieser Sonderling, der sich in alles einmischt, Komplimente und Brüskierungen austeilt, fingierte Telegramme an sich selbst aufgibt, Beruf, Besitz und Reichtum vortäuscht, den Besuch verschleierter Damen empfängt und stets ein Fläschchen Gift bei sich führt? Ein Scharlatan, ein Narr, ein Verführer? Oder doch nur einfach ein Unglücklicher, Umhergetriebener, ewig Einsamer, der, zwischen Lebensüberdruss und unbändiger Lebenslust hin- und her gerissen, sich mit seltsamen Masken tarnt?
   Die Menschen dieser kleinen Hafenstadt verfallen der magischen Anziehungskraft des von Irrlichtern der Liebe Umtanzten. Auch die bereits verlobte stolze Dagny Kielland, die er schwärmerisch anbetet, kann sich seinem Bann nicht entziehen. Zwischen ihr, der schönen, lebensvoll Strahlenden, und der scheu-zurückgezogenen Martha Gude schwankt er hin und her, bis ihm beide verlorengehen und ihn schliesslich das Chaos seiner seelischen Zerrissenheit verschlingt.
   Diese echt Hamsunsche Tragik vollzieht sich unter den Sternen seiner nordischen Welt, in der Brandung überschäumenden Lebens.